Geschichte

Die Geschichte der Gemeinde Urmitz

 

Aus der Chronik „Die Geschichte der Gemeinde Urmitz“ von Reinhard Gilles, in der Sie viel Wissenswertes über Urmitz und seine Traditionen lesen können, finden Sie hier einen kurzen Auszug.

Die Skizze zeigt den hufeisenförmigen Umriss des etwa 100 Hektar großen „Urmitzer Erdwerks“ zwischen Urmitz und Weißenthurm in der Mülheim-Kärlicher Gemarkung. Die Befestigungsanlage aus der Jungsteinzeit bestand von 3700 v. Chr. bis 2500 v. Chr.
In gleicher Skizze erkennen wir die übereinander gelagerten Grundrisse zweier römischer Kastelle, auch „Drusus-Kastell“ genannt (bei Stromkilometer 604). Hier soll Caesar 55 bzw. 53 v. Chr. eine Brücke über den Rhein gebaut haben.

Ab­schrift aus der Schul­chro­nik der Volks­schu­le Ur­mitz:

  • 754-768 Ers­te ur­kund­li­che Er­wäh­nung des Orts­na­mens „vil­la Au­ro­mun­cio“ (Ur­mitz) als Ort der Aus­stel­lung zwei­er Schen­kungs­ur­kun­den zu­guns­ten des Klos­ters Ful­da.
  • 1022 Kai­ser Hein­rich II. schenkt das zum Kö­nigs­hof Ko­blenz ge­hö­ren­de Hof­gut „Hor­mun­zi“ (Ur­mitz) dem Bis­tum Bam­berg.
  • 1202 Graf Hein­rich II. von Sayn stat­tet die Prä­mons­tra­ten­ser­ab­tei Sayn mit Gü­tern in „Or­mun­ze“ (Ur­mitz) und Kal­te­n­en­gers aus.
    Gleich­zei­tig er­hält Graf Hein­rich II. von Sayn die Vog­tei­rech­te über die bam­ber­gi­schen Gü­ter in Ur­mitz.
  • 1204 Ers­te schrift­li­che Er­wäh­nung der „Pfar­rei Or­mun­ze“ (Ur­mitz)
  • 1652 Die Vog­tei­rech­te zu Ur­mitz wer­den von den Say­ner Gra­fen an Kur­trier über­tra­gen. Der Schult­heiß und sie­ben Schöf­fen ver­kör­pern mit dem Vogt das Ur­mit­zer Schöf­fen­ge­richt als nie­de­re Ge­richts­bar­keit. Die­ses ist zu­stän­dig für Ur­mitz, Kal­te­n­en­gers, St. Se­bas­ti­an und Kes­sel­heim.
  • 1724 Am 13. Mai wan­dern 29 Ur­mit­zer Bür­ger, dar­un­ter 14 Kin­der und Ju­gend­li­che, nach Un­garn aus. In Ulm­bach/Ba­nat (heu­ti­ges Ru­mä­ni­en) er­hof­fen sie sich ei­ne neue Hei­mat.
  • 1731 wer­den St. Se­bas­ti­an und Kes­sel­heim dem En­ger­ser Ge­richt an­ge­glie­dert. Das Hoch­ge­richt des Am­tes Berg­pfle­ge, wo­zu Ur­mitz ge­hört, be­fin­det sich auf dem Bu­ben­hei­mer Berg.
  • 1772 Die al­te go­ti­sche Kir­che (er­baut et­wa 1500) wird ab­ge­ris­sen und ei­ne neue Ba­rock-Kir­che ge­baut.
  • 1776 Am 11. Au­gust, nach Fer­tig­stel­lung der rei­chen ba­ro­cken In­nen­aus­stat­tung, wird die Kir­che von dem Trie­rer Kur­fürst und Erz­bi­schof Cle­mens Wen­zes­laus fei­er­lich ge­weiht.
    Die Kir­che wird 1784 als die schöns­te Kir­che des Am­tes Berg­pfle­ge be­zeich­net.
  • 1788 An­stel­le des al­ten Ge­mein­de­hau­ses wird in der Schul­gas­se (Rhein­stra­ße) ein Ge­mein­de- und Schul­haus mit ei­nem Klas­sen­raum und ei­ner Leh­rer­woh­nung er­baut.
  • 1794 Fran­zö­si­sche Re­vo­lu­ti­ons­trup­pen be­set­zen das links­rhei­ni­sche Ge­biet.
  • 1802 Für die links­rhei­ni­schen Ge­bie­te gilt nun die fran­zö­si­sche Ver­fas­sung. Ur­mitz ge­hört of­fi­zi­ell zu Frank­reich, im Rhein-Mo­sel-De­par­te­ment, zum Kan­ton Rü­benach und zur Mai­rie St. Se­bas­ti­an.
  • 1813/14 Um die Jah­res­wen­de über­que­ren ver­bün­de­te rus­si­sche und preu­ßi­sche Trup­pen den Rhein. Die fran­zö­si­schen Trup­pen wer­den nach Frank­reich zu­rück­ge­trie­ben.
  • 1815/16 Ur­mitz ge­hört zur Bür­ger­meis­te­rei St. Se­bas­ti­an, im Land­kreis Ko­blenz und zur Preu­ßi­schen Rhein­pro­vinz.
  • 1854 Jo­hann Elings­hau­sen stellt in Ur­mitz die ers­ten Schwemm­stei­ne (Bims­stei­ne) her.
  • 1870 Er­wei­te­rung der Schu­le in der Schul­gas­se auf zwei Klas­sen­räu­me und zwei Leh­rer­woh­nun­gen.
  • 1879 Ur­mitz ge­hört zur „Bür­ger­meis­te­rei Bas­sen­heim zu Wei­ß­en­thurm“ mit dem Ver­wal­tungs­sitz in Wei­ß­en­thurm.
  • 1893 Bau ei­nes zu­sätz­li­chen Schul­hau­ses mit ei­nem Klas­sen­raum und ei­ner Leh­rer­woh­nung im Schlöff­chen (Jahn­stra­ße).
  • 1916-1918 Bau der Ei­sen­bahn­brü­cke als Bo­gen­brü­cke, „Kron­prinz-Wil­helm-Brü­cke“ ge­nannt. Die Brü­cke er­hält ei­nen Fu­ß­gän­ger­steg.
  • 1923/24 Bau des Glo­cken­tur­mes, zu­nächst noch oh­ne Helm.
  • 1925 Am 10. Au­gust Ein­wei­hung der neu­en Schu­le im Ober­dorf (Haupt­stra­ße) mit vier Klas­sen­räu­men und vier Leh­rer­woh­nun­gen (Er­wei­te­run­gen des Schul­ge­bäu­des 1953 und 1966).
  • 1935 Am 15. Sep­tem­ber wird der Bahn­hal­te­punkt „Ur­mitz-Rhein­brü­cke“ in Be­trieb ge­nom­men.
    Ur­mitz er­hält sein Orts­wap­pen mit St.​Georg, dem Dra­chen­tö­ter und dem Trie­rer Kreuz.
    Ur­mitz ge­hört nun zum „Amt Wei­ß­en­thurm“.
  • 1945 Am 6. Ja­nu­ar trifft ei­ne ame­ri­ka­ni­sche Flie­ger­bom­be das Haus Haupt­stra­ße 26. Sie­ben Men­schen ster­ben.
    Am 9. März, ge­gen 7.30 Uhr, wird die „Kron­prinz-Wil­helm-Brü­cke“ von deut­schen Pio­nie­ren ge­sprengt, ob­wohl sich noch vie­le deut­sche Sol­da­ten bei ih­rem Rück­zug auf der Brü­cke be­fin­den und in den Tod ge­ris­sen wer­den.
    Am Nach­mit­tag des­sel­ben Ta­ges rü­cken ame­ri­ka­ni­sche Pan­zer in Ur­mitz ein.
  • 1953 Voll­endung des Glo­cken­tur­mes mit dem Helm­auf­bau.
  • 1952-1954 Wie­der­auf­bau der Ei­sen­bahn­brü­cke in der Rau­ten­stre­ben­fach­werk-Kon­struk­ti­on, zu­nächst nur für den ein­glei­si­gen Ver­kehr.
  • 1956 Am 25. Au­gust brennt der Holz­boh­len­be­lag der Brü­cke. Die Brü­cke ist nicht mehr be­fahr­bar. Nach lang­wie­ri­gen Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten wird im Mai 1957 der ein­glei­si­ge Zug­ver­kehr wie­der auf­ge­nom­men.
  • 1961/62 Er­wei­te­rung der Kir­che um zwei Sei­ten­schif­fe.
  • 1962 Nach dem zwei­glei­si­gen Aus­bau und der Elek­tri­fi­zie­rung der Stre­cke Neu­wied-Ko­blenz, wird die nun voll funk­ti­ons­fä­hi­ge Brü­cke am 22. Sep­tem­ber dem Ver­kehr über­ge­ben.
  • 1963 Im No­vem­ber wird der Brü­cken­steg für Fu­ß­gän­ger und Rad­fah­rer wie­der ge­öff­net.
  • 1968 Ur­mitz ge­hört nun zur „Ver­bands­ge­mein­de Wei­ß­en­thurm“.
  • 1981 Be­ginn der Part­ner­schaft mit der fran­zö­si­schen Ge­mein­de Les Noes.
  • 1987 Der Bahn­hal­te­punkt „Ur­mitz-Rhein­brü­cke“ wird au­ßer Be­trieb ge­nom­men.
  • 2004 Ur­mitz fei­ert 1250 Jah­re Ur­mitz und gleich­zei­tig 800 Jah­re Pfar­rei Ur­mitz.
  • 2005 Das Dorf­mu­se­um wird in der Haupt­stra­ße er­öff­net.
  • 2006 28. Mai, Re­ak­ti­vie­rung des Bahn­hal­te­punk­tes „Ur­mitz-Rhein­brü­cke“.
  • 2008 Au­gust, Re­ak­ti­vie­rung der Schiffs­an­le­ge­stel­le.
  • 2010 Die Be­triebs­trä­ger­schaft für die Ki­ta geht von der Kir­chen­ge­mein­de auf die Orts­ge­mein­de über; Sa­nie­rung und Er­wei­te­rung der Ki­ta um 44 Ganz­tags­plät­ze.
    24. Sep­tem­ber, "DIE BIMS 1", Platz­ein­wei­hung Ecke Hof­acker/Kal­te­n­en­ger­ser Stra­ße.
  • 2011 Der Wohn­mo­bil­ha­fen am Rhein wird er­öff­net.
  • 2011 Er­öff­nung des neu­en Sport­plat­zes mit Kunst­ra­sen und Tar­tan­bahn
  • 2012 Ein­wei­hung des Ge­denk­steins zur Brü­cken­spren­gung am 9. März 1945.
    Um­ge­stal­tung des Les-Noes-Plat­zes und Um­set­zung der Ma­ri­en­ka­pel­le.
  • 2013 En­er­ge­ti­sche Sa­nie­rung des An­baus der Grund­schu­le. Gleich­zei­tig wer­den Ju­gend­treff und In­ter­net­ca­fé in das Ge­bäu­de in­te­griert.
  • 2015 Er­öff­nung des neu­en Frei­zeit­ge­län­des "Örm­ser Ring".
  • 2019 10. Mai, Er­öff­nung der neu­en Ca­ge-Soc­cer-An­la­ge vor der Grill­hüt­te.

Im Jah­re 1896 schrieb Haupt­leh­rer Ma­thi­as Leh­nen fol­gen­den Be­richt:

 

Die Bims­sand­stein-In­dus­trie in Ur­mitz und im Neu­wie­der Be­cken.

I.

Das Dorf Ur­mitz kann sich des Vor­zu­ges er­freu­en, die Wie­ge der Bims­sand­stein-In­dus­trie zu sein, ei­ner In­dus­trie, wel­che den Wohl­stand der Ge­gend mit den Jah­ren in un­ver­kenn­ba­rer Wei­se ge­ho­ben hat.

Die al­ler­ers­ten Bims­sand­stei­ne oder Schwemm­stei­ne wur­den zwar in den fünf­zi­ger Jah­ren des jet­zi­gen Jahr­hun­derts von ei­nem Wir­te am Bu­ben­hei­mer Ber­ge na­mens Ser­va­ti­us Hoff­mann (der jet­zi­ge In­ha­ber die­ser Wirt­schaft hei­ßt Wil­helm Geihs­ler) in ei­ner noch sehr pri­mi­ti­ven Wei­se nach Art der Zie­gel­stei­ne an­ge­fer­tigt. Die Schwemm­stei­ne wur­den je­doch nicht wie Zie­gel­stei­ne im Feu­er ge­brannt, son­dern nur an der Luft ge­trock­net.

Hoff­mann trieb mit sei­nen Schwemm­stei­nen je­doch nur in der Nä­he, wie in Co­blenz, und zwar per Ach­se Han­del; für die Aus­brei­tung die­ser In­dus­trie ist er al­so wohl nicht von Be­deu­tung. Zu­dem war ja auch die Zie­ge­lei sein Haupt­ge­schäft, wes­halb ihn der Volks­mund auch wohl „Döp­pebä­cker“ ge­nannt hat.

Der Ruhm, die Grün­der und Ur­he­ber der Bims­sand­stein- oder Schwemm­stein-In­dus­trie zu sein, ge­bührt zwei Män­nern hier aus dem Dor­fe Ur­mitz, Jo­hann Elings­hau­sen und Pe­ter Mül­ler.

Jo­hann Elings­hau­sen, in zwei­ter Ehe mit Mar­ga­re­tha geb. Kohl aus Ket­tig ver­hei­ra­tet, war der Va­ter der jetzt le­ben­den Brü­der Pe­ter, Chris­ti­an und An­dre­as Elings­hau­sen, welch al­le drei nicht un­be­deu­ten­de Schwemm­stein­fa­bri­kan­ten sind. Pe­ter Elings­hau­sen wohnt zu Ur­mitz-Bahn­hof in ei­ner Vil­la am Bahn­über­gang. Chris­ti­an Elings­hau­sen ist Be­sit­zer der hie­si­gen Wirt­schaft „Zum An­ker“. An­dre­as Elings­hau­sen ist In­ha­ber ei­nes Ko­lo­ni­al­wa­ren­ge­schäf­tes hier­selbst und wohnt sei­nem Bru­der schräg ge­gen­über.

Ei­nes Ta­ges im Jah­re 1854 traf Jo­hann Elings­hau­sen auf der Heim­rei­se von Co­blenz, wahr­schein­lich in der Wirt­schaft am Bu­ben­hei­mer Ber­ge, ei­nen Ar­bei­ter des Ser­va­ti­us Hoff­mann, wel­cher ihm da­von re­de­te, dass man aus dem Bims­sand Mau­er­stei­ne her­stel­len kön­ne, und ihn schlie­ß­lich zu dem Ent­schlus­se brach­te, ein­mal da­mit ver­su­chen zu wol­len. Nach­dem die Zu­stim­mung der Frau ge­won­nen war, be­gab sich Elings­hau­sen als­bald ans Werk.

Die ers­ten Ver­su­che der Schwemm­stein­fa­bri­ka­ti­on wur­den beim Hau­se (wo jetzt die Scheu­ne des An­dre­as Elings­hau­sen steht) im Ho­fe ge­macht und fie­len selbst­ver­ständ­lich noch nicht glän­zend aus. Es muss­te man­ches pro­biert und aus­ge­klü­gelt wer­den, ehe ein brauch­ba­rer Stein zu­stan­de kam. Doch die Sa­che hat­te Er­folg, so dass ei­nes Ta­ges ver­schie­de­ne Hun­dert Stei­ne in ei­nen Na­chen ge­la­den und nach Bonn oder Köln ge­bracht wer­den konn­ten, wo sie an Bau­un­ter­neh­men ent­we­der pro­be­wei­se über­las­sen oder ver­kauft wur­den, na­tür­lich in ge­rin­ger An­zahl. Elings­hau­sen fuhr so­zu­sa­gen da­mit hau­sie­ren. All­mäh­lich fand das neue Fa­bri­kat An­klang; nach und nach fin­gen die Bau­leu­te an, die be­son­de­ren Ei­gen­schaf­ten die­ses Bau­ma­te­ri­als zu er­ken­nen, wel­che wei­ter un­ten noch nä­her dar­ge­legt wer­den.

Nach ei­ni­ger Zeit reich­te der Hof zur Fa­bri­ka­ti­on nicht mehr aus, sie muss­te auf die Wie­sen ober­halb des Dor­fes in die Nä­he des Rhei­nes ver­legt wer­den. Als aus Köln die ers­te gro­ße Be­stel­lung von 3000 Stei­nen ein­traf, war der Sa­che Bahn ge­bro­chen.

Es war nun der Grund­stein zu ei­ner In­dus­trie ge­legt, wel­che nach ei­nem Vier­tel­jahr­hun­dert das Neu­wie­der Be­cken be­herr­schen soll­te. Jo­hann Elings­hau­sen hat wohl in ers­ter Li­nie das Ver­dienst, die­sen Grund­stein ge­legt zu ha­ben. Es ist ihm um­so hö­her an­zu­rech­nen, da er sich nicht in sol­chem Wohl­stan­de be­fand, wie spä­ter sei­ne Söh­ne, de­nen er vor­ge­baut hat.

Pe­ter Mül­ler war ge­bo­ren zu Kell im Krei­se May­en. Er trieb u. a. ei­nen Han­del mit Schan­zen, der ihn auch öf­ter nach Ur­mitz führ­te. Hier in Ur­mitz hei­ra­te­te er die The­re­se Hö­fer und kam da­durch in den Be­sitz der am Rhein ge­le­ge­nen heu­ti­gen Wirt­schaft von Wil­helm Frein, ge­nannt „Wirt­schaft zum Va­ter Rhein“. Der heu­ti­ge Tanz­saal die­ser Wirt­schaft war da­mals ein ein­zi­ger gro­ßer Pfer­de­stall, in wel­chen die Hal­fen, wel­che die Schif­fe mit ih­ren Pfer­den den Rhein hin­auf zo­gen und in Ur­mitz über­nach­ten muss­ten, des Abends ih­res Pfer­de ein­stell­ten und dann sich selbst in der Wirt­schaft güt­lich ta­ten. Bei sol­chen Ge­le­gen­hei­ten floss der Wein in Strö­men. Bier gab es da­mals hier noch nicht. Das Quart (1,,1-​7..​Liter) gu­ten Wei­nes kos­te­te in je­ner Zeit 3 bis 4 Sil­ber­gro­schen, nach heu­ti­gem Gel­de 30 bis 40 Pfen­nig. Weil es noch kei­ne Dampf­schif­fe und Ei­sen­bah­nen gab, we­nigs­tens hier nicht, so wa­ren die Rhein­ufer die Puls­adern des Ver­kehrs und des öf­fent­li­chen Le­bens. Auch je­ne Zeit war schön und man kann es be­grei­fen, dass die Ufer­be­woh­ner voll Er­bit­te­rung nach den ers­ten Dampf­schif­fen schos­sen, weil sie ih­re Le­bens­ver­hält­nis­se we­sent­lich und für die ers­te Zeit in nicht vor­teil­haf­ter Wei­se um­ge­stal­te­ten.

Pe­ter Mül­ler war ein un­ter­neh­men­der Mann. Er sah die Schwemm­stein­ar­bei­ten des Jo­hann Elings­hau­sen und ver­folg­te sie mit In­ter­es­se. So­bald er Er­folg merk­te, zö­ger­te er nicht lan­ge und fing noch im sel­ben Jah­re (1854) auch an, Schwemm­stei­ne oder Bims­sand­stei­ne zu fa­bri­zie­ren. Er hat­te vor Jo­hann Elings­hau­sen vie­les vor­aus, be­son­ders, dass er be­deu­ten­de Geld­mit­tel be­saß und da­durch der Sa­che ei­nen ganz an­de­ren Schick ge­ben konn­te. Er ist es ge­we­sen, der die Re­kla­me für das neue Fa­bri­kat so­zu­sa­gen im gro­ßen be­trie­ben hat. Der Ab­satz der Stei­ne nahm zu.

Bei­de, Pe­ter Mül­ler und Jo­hann Elings­hau­sen, gin­gen nun dar­an, zwi­schen der heu­ti­gen „Vil­la Rhein­tal“ und der Wirt­schaft Pe­ter Klöck­ner, auf dem Hüm­me­rich ne­ben­ein­an­der die ers­ten re­gel­rech­ten Schwemm­stein­fa­bri­ken zu er­rich­ten. Die Toch­ter des Pe­ter Mül­ler, die Frau Ger­tru­da Ries, wel­che in der Vil­la Rhein­tal wohnt, ist ge­gen­wär­tig In­ha­be­rin die­ser ers­ten vom Va­ter ge­grün­de­ten Fa­brik. Die ers­te von Jo­hann Elings­hau­sen ge­grün­de­te Fa­brik be­fin­det sich ge­gen­wär­tig in den Hän­den sei­nes Soh­nes Herrn Chris­ti­an Elings­hau­sen. Frei­lich hat­ten die­se Fa­bri­ken zur Zeit der Grün­der noch nicht die Voll­kom­men­heit und Be­quem­lich­keit wie heu­te auf­zu­wei­sen; das Was­ser muss­te bei­spiels­wei­se noch mit Ei­mern vom Rhein her die ho­he Ufer­bö­schung hin­auf in die Fa­brik ge­tra­gen wer­den.

Zur Be­för­de­rung der Stei­ne reich­ten nun die Na­chen nicht mehr aus, und je­der von den bei­den Fa­bri­kan­ten schaff­te sich ein klei­nes höl­zer­nes Schiff an. Nie wer­de ich je­ne köst­li­chen Stun­den ver­ges­sen, in de­nen mir Herr Chris­ti­an Elings­hau­sen, wel­cher, ne­ben­bei ein aus­ge­zeich­ne­tes Er­zäh­ler­ta­lent be­sitzt, von den Er­leb­nis­sen, Zu­fäl­len und Aben­teu­ern er­zähl­te, die er als jun­ger Mann mit sei­nen Brü­dern und an­de­ren auf dem al­ten höl­zer­nen Schiff­chen zu be­stehen hat­te, und wo­von die heu­ti­gen Schif­fer, wel­che in den ei­ser­nen Pa­läs­ten auf dem Rhein schwim­men, nicht mehr viel wis­sen.

Der Schwemm­stein ge­lang­te mit der Zeit durch sei­ne vor­züg­li­chen Ei­gen­schaf­ten in Bau­krei­sen im­mer voll­stän­di­ger zur Wür­di­gung. Den be­deu­tends­ten Auf­schwung nahm die Schwemm­stein-In­dus­trie durch das Er­schei­nen der Ei­sen­bahn. Durch die Er­öff­nung der links­rhei­ni­schen Bahn En­de der fünf­zi­ger Jah­re und be­son­ders durch die Er­rich­tung der Sta­ti­on Ur­mitz bzw. Wei­ß­en­thurm ent­wi­ckel­te sich die links­rhei­ni­sche Bims­sand­stein-In­dus­trie zu ei­ner gro­ßen Blü­te und Be­deu­tung. Die Er­öff­nung der rechts­rhei­ni­schen Bahn rief die Bims­sand­stein-In­dus­trie der rech­ten Rhein­sei­te, be­son­ders bei Neu­wied, En­gers und Ben­dorf her­vor; in un­se­rer Zeit sind auch wei­te­re Ar­beits­stät­ten auf den Bims­sand­la­gern im Zu­ge der Bahn An­der­nach-May­en in Wett­be­werb ge­tre­ten.

Ei­ne über­aus herr­li­che Zeit für die Schwemm­stein-In­dus­trie müs­sen die ers­ten sieb­zi­ger Jah­re gleich nach dem fran­zö­si­schen Krieg ge­we­sen sein; in ei­nem die­ser Jah­re (1872) konn­te ein Schwemm­stein­ar­bei­ter täg­lich 7 bis 10 Mark ver­die­nen, wäh­rend er heu­te durch­schnitt­lich 4 M täg­lich ver­dient. Da­mals wur­de den Fa­bri­kan­ten für das Tau­send Stei­ne 30 bis 40 Mark ge­zahlt, wäh­rend sie heu­te 13 bis 14 Mark da­für er­hal­ten.

Die Prei­se für das Feld mit Bims­sand sind seit den fünf­zi­ger Jah­ren d. Jahrh. fast um das Zehn­fa­che ge­stie­gen. Die Ru­the (=14qm) Feld, wel­che 1854/55 zwei bis drei Mark kos­te­te, wird heu­te mit acht­zehn bis zwan­zig Mark be­zahlt.

Im Jah­re 1891 wur­den, nach ei­ner Sta­tis­tik aus die­sem Jah­re, im gan­zen 2200 Ar­bei­ter in der Bims­sand-In­dus­trie be­schäf­tigt, die rund 110 Mil­lio­nen Mau­er­stei­ne und 400 000 Ka­min­rohr­stei­ne an­fer­tig­ten, wel­che, ab­ge­se­hen von dem ver­hält­nis­mä­ßig ge­rin­gen lo­ka­len Ab­satz durch Fuhr­werk, in un­ge­fähr 20 000 Dop­pel­wa­gen bahn­sei­tig und 400 Schif­fen was­ser­wärts in das nä­he­re und wei­te­re Ab­satz­ge­biet zum Ver­sand ge­kom­men sind. An Kalk ge­lang­ten durch­schnitt­lich 3500 Dop­pel­wag­gons zur Ver­wen­dung, wel­che zum weit­aus grö­ß­ten Teil von den Wer­ken an der Lahn be­zo­gen wur­den.

Die ge­gen­wär­ti­gen ge­rin­gen Prei­se der Schwemm­stei­ne rüh­ren wohl von der Über­pro­duk­ti­on her; denn in den letz­ten Jah­ren sind be­son­ders an der Bahn, in Wei­ß­en­thurm und auf der rech­ten Rhein­sei­te die Schwemm­stein­fa­bri­ken wie Pil­ze aus der Er­de ge­schos­sen. Zu­dem scheint auch kei­ne Bau­lust zu herr­schen. In der Ge­mein­de Ur­mitz al­lein be­fin­den sich 13 Schwemm­stein­fa­bri­kan­ten.

Die Löh­ne der be­schäf­tig­ten Ar­bei­ter sind auch heu­te noch aus­kömm­lich, und recht tüch­ti­ge Kräf­te er­zie­len, na­ment­lich wenn sie Fa­mi­li­en-Mit­glie­der mit­be­schäf­ti­gen kön­nen, ei­nen an­sehn­li­chen Ver­dienst. Man könn­te die­se In­dus­trie fast Haus­in­dus­trie nen­nen, wenn man da­mit be­sa­gen will, dass ei­ne Fa­mi­lie ein ihr ge­hö­ren­des Bims­sand­feld nur mit Hil­fe ih­rer Fa­mi­li­en­mit­glie­der aus­beu­tet. Es sind aber auch grö­ße­re Be­trie­be mit über 100 Ar­bei­tern vor­han­den.

An die­ser Stel­le sei noch er­wähnt, daß Jo­hann Elings­hau­sen im Jah­re 1859 ge­stor­ben ist. Die hin­ter­blie­be­ne Wit­we führ­te mit den Söh­nen das Ge­schäft wei­ter, und sind letz­te­re durch die von den El­tern ge­schaf­fe­ne Grund­la­ge zu Wohl­stand ge­langt. Sie ge­hö­ren gleich den Nach­kom­men des Pe­ter Mül­ler (Frau Ger­tru­da Ries, Herr Karl Mül­ler u.s.f.) zu den an­ge­se­hens­ten Leu­ten nicht nur des Dor­fes, son­dern der Um­ge­gend.

II.

Der Bims­sand­stein, auch Schwemm­stein ge­nannt, be­steht, wie schon sein Na­me be­sagt, zu­meist aus Bims­sand, der in ei­ner gro­ß­ar­ti­gen Ab­la­ge­rung sich über das Ko­blenz-Neu­wie­der Be­cken und die das Be­cken be­gren­zen­den Hö­hen aus­brei­tet. Im Be­cken selbst er­reicht die Ab­la­ge­rung ei­ne Mäch­tig­keit von 7 m und dar­über und ist meist von ei­ner nur ge­rin­gen Hu­mus­schicht be­deckt, die je­doch stel­len­wei­se auf bis zu 1,,1-2 .. m Di­cke an­wächst.

Der Bims­sand liegt in zwei Haupt­schich­ten über­ein­an­der, zwi­schen de­nen sich ei­ne fes­te Schicht be­fin­det, wel­che Bri­ques, Brigg oder Bretz­bank ge­nannt wird. In den Schich­ten lie­gen die Bims­sand­kör­ner lo­se ne­ben- und über­ein­an­der. Der Bims­sand ist ein vul­ka­ni­sches Er­zeug­nis, wel­ches 40 – 70 % Kie­sel­säu­re ent­hält und da­bei sehr leicht und po­rös ist, wor­auf sich sei­ne treff­li­chen bau­li­chen Ei­gen­schaf­ten grün­den. Das Volk nennt ihn kurz­weg „Kie­se­le“.

In vor­ge­schicht­li­cher Zeit wur­de der Bims­sand aus ei­nem der Kra­ter des Ei­fel­ge­bir­ges, jetzt ver­mut­lich den Laa­cher See bil­dend, aus­ge­wor­fen, in die Nä­he des Rhei­nes ge­schleu­dert und dort zu der mäch­ti­gen Ab­la­ge­rung an­ge­häuft.

Als Sand, d. h. als Ge­men­ge von grö­ße­ren und klei­ne­ren Bims­sand­stück­chen, hat­te der ein­hei­mi­sche Bims­stein nur zur Un­ter­fül­lung von Fußbö­den (Bühn­sand) ei­ne ge­rin­ge Ver­wen­dung ge­fun­den. Im Gro­ßen und Gan­zen la­gen die Bims­st­ein­la­ger nutz­los da, bis man erst in un­se­rer Zeit be­gann, die an sich lo­sen Kör­ner durch Zu­satz von Kalk zu ei­nem fes­ten Bau­ma­te­ri­al zu ver­bin­den.

Die Her­stel­lung des Bims­sand­stei­nes oder Schwemm­steins ist im We­sent­li­chen fol­gen­de:

Der Bims­sand wird vor sei­ner Ver­wen­dung in kei­ner Wei­se ge­siebt oder sor­tiert; es hängt von der mehr oder min­der sorg­sa­men Be­hand­lung ab, ob der Bims­sand rein oder mit dem über­lie­gen­den Hu­mus ver­un­rei­nigt zur Ver­wen­dung kommt. Ei­ne sol­che Ver­un­rei­ni­gung ist in ho­hem Gra­de schäd­lich für das Fa­bri­kat. Der Bims­sand wird dann, ähn­lich wie bei der Be­ton­be­rei­tung, im Frei­en auf Hau­fen ge­schüt­tet und mit ei­ner in dicht ne­ben be­le­ge­ner Pfan­ne be­rei­te­ten Kalk­milch über­gos­sen und durch­ge­ar­bei­tet in ei­nem Ma­ße, dass je­des Korn des Bims­san­des mit Kalk­milch ein­ge­hüllt ist. Die durch­ge­ar­bei­te­te Mas­se ist nur ein feuch­tes, nicht nas­ses Ge­men­ge. Qua­li­tät und Quan­ti­tät des zu­ge­misch­ten Kalks ist selbst­ver­ständ­lich von er­heb­li­chem Ein­fluss auf das Fa­bri­kat. Die­se Mas­se wird in For­men von Ei­sen, sei­en es Mau­er­stei­ne 250×120×100 mm und 250×120×75 mm, oder Ka­min­rohr­stei­ne von 31 cm Hö­he und ver­schie­de­ner See­len­wei­te (See­len­wei­te bzw. See­len­ach­se bei Feu­er­waf­fen, See­len­wei­te = Rohr­durch­mes­ser) mit Ei­sen­löf­fel ein­ge­füllt und bei den Mau­er­stei­nen mit ei­nem ei­ser­nen Schlä­ger (Plötsch), bei den Ka­min­rohr­stei­nen mit Holz­stamp­fen bis zum ei­gent­li­chen Nass­wer­den fest ein­ge­schla­gen bzw. ge­stampft, die Form ab­ge­zo­gen und die so ge­form­ten Mau­er­stei­ne mit den Un­ter­lag­brett­chen in höl­zer­ne, in frei­er Luft ste­hen­de Ge­rüs­te zum Trock­nen ab­ge­tra­gen. Wenn die Mau­er­stei­ne ent­spre­chend an­ge­trock­net sind, wer­den sie im Frei­en auf Ar­ken ge­setzt, auf de­nen sie bis zum Ver­sand blei­ben.

Dass der Bims­sand­stein als Mau­er­stein nicht nur zur Aus­fül­lung von äu­ße­rem und in­ne­rem Fach­werk, zum Aus­sti­cken von De­cken, zu Gar­ten­mau­ern und der­glei­chen mehr un­ter­ge­ord­ne­ten Zwe­cken, son­dern sich eben­so zu mas­si­vem Mau­er­werk, zur Her­stel­lung von Iso­lier-Mau­ern und Eis­kel­lern, fer­ner zu Ge­wöl­ben (in Kir­chen, Häu­sern u. s. f. bei nur 1 Stein­di­cke) eig­net, kurz dass man gan­ze Häu­ser dar­aus her­stel­len kann, ist in ei­ner lan­gen Rei­he von Jah­ren der prak­ti­schen Er­fah­rung längst be­wie­sen. Da­her hat sich auch sein Ab­satz­ge­biet auf Nord­west-Deutsch­land, Süd-Deutsch­land, El­saß-Loth­rin­gen, Schweiz, Hol­land, Lu­xem­burg, Bel­gi­en, die Grenz­ge­bie­te von Frank­reich und so­gar auf Eng­land aus­ge­dehnt.